Abenteuer Wave - Der erste Versuch
Da muss man einfach hin!
Zuschauer haben es uns in unseren Shows immer wieder gesagt: Wir müssen unbedingt mal die Wave machen. Die ist etwas ganz Besonderes, einfach einzigartig. Problem ist nur: Der Zugang zu diesem Naturwunder in der Paria Wilderness ist streng limitiert. Es werden gerade einmal 20 Permits pro Tag ausgestellt: 10 Permits bis zu 7 Monate im voraus übers Internet, weitere 10 am Vortag, im Winter im Bureau of Land Management in Kanab. Unter der Telefonnummer, die im Internet angegeben ist, meldet sich niemand. Also fahren wir am Freitag, 3. Dezember 2004 vom verschneiten Bryce Canyon in Utah nach Kanab, Arizona.
Kein Problem!
Wir bekommen ein Permit für den nächsten Tag. Außer uns haben sich erst zwei Wanderer registriert. Es hat auch Vorteile, wenn man im Winter reist. Es sind kaum Touristen da.
Der Große Tag
Am nächsten Tag ist die Erwartung groß. Wir stehen bereits um 6 Uhr im Bett, ein wenig früh für diese Jahreszeit. Nach einem kräftigen Continental Breakfast machen wir uns auf den Weg. Die ersten Schleierwolken trüben den strahlend blauen Himmel. Für den nächsten Tag ist schlechtes Wetter angesagt. Das kommt leider schon heute. Die Wolken verdichten sich. Aber immerhin scheint die Sonne noch, als wir nach 40 Meilen in die Dirt Road White House Canyon einbiegen. Nach 8,5 Meilen erreichen wir den kleinen Parkplatz. Außer uns sind noch zwei amerikanische Paare da.
Es geht los
Is that a 3 Miles Roundtrip ? fragt eine der Frauen. No, it’s three Miles one way. 3 Meilen einfach, ca. 5 km, in der Ebene geht man das in einer Stunde. 1,5 – 1,75 Stunden veranschlagt ein deutscher Wanderer, der seine Erfahrungen ebenfalls im Internet veröffentlich hat. Und 8 Liter Flüssigkeit für 2 Personen. So viel brauchen wir heute sicher nicht, eher ein Stirnband und Handschuhe, die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Wir haben eine Thermoskanne mit heißem Tee im Auto. Noch eine kleine Stärkung und los geht’s.
Bevor es ab in die Wildnis geht, müssen wir uns noch registrieren. Der Kugelschreiber versagt bei der Kälte, zum Glück sind Bleistifte da. In den letzten Tagen waren jeweils 4-6 Leute da, alle Amerikaner. Wir marschieren los. An einem ausgetrockneten Flussbett entlang. „Do you know what a wash is?” hat uns die Rangerin gestern gefragt, als sie uns mit Bildern den Weg zur Wave erklärt. We do know. Damals gibt es die detaillierte Wegbeschreibung zur Wave noch nicht auf Deutsch. Kein Problem, wir verstehen auch die englische.
Das soll eine Wildnis-Wanderung sein?
Die Beschreibung ist eindeutig. Außerdem gibt es Schilder, die anzeigen, wo’s lang geht. Irgendwann teilt sich der Weg – gerade aus zu irgendeiner Gulch, rechts rauf zur Wave. Der erste steile Anstieg steht bevor. Halb so wild. Bisher ist alles ganz easy.
Jenseits des Hügels erwartet uns endlich Wildnis: Überall versteinerte Dünen. Wir haben schon viele gesehen, aber nie in dieser Konzentration. Der Weg wird anspruchsvoller, Bergschuhe sind dringend angeraten. Noch zeigen uns Cairns (aufeinander gestapelte Felsbrocken), wo es weiter geht. Von wegen Wilderniss-Trip ! Immer schön den Felsmännchen lang, dann kann gar nichts schief gehen.
Es IST eine Wildnis-Wanderung!
Nur sind die Felsmännchen irgendwann nicht mehr da, genau wie vorher plötzlich keine Schilder mehr da waren. Ab nun geht es tatsächlich auf einer unmarkierten Route weiter.
Wir studieren immer wieder eingehend die Tourenbeschreibung. An den Coyote Buttes links vorbei auf die Mesa mit dem markanten senkrechten dunklen Schlitz in der Mitte zulaufen, die in ca. 1,5 Meilen sichtbar ist. Und genau unter diesem Schlitz liegt die Wave. Und immer schön oben auf der Schulter der Sandstein-Ridge bleiben, zu der wir vorhin hoch geklettert sind. Also alles ganz einfach. Nur sieht der Weg da oben reichlich abenteuerlich aus. Und etwas tiefer verlaufen viele Fußspuren im Sand.
Geht’s da vielleicht einfacher zur Wave? Aber warum zieht sich da ein Stacheldrahtzaun durch die Wildnis? Private Property? In den USA durchaus möglich, das haben wir schon mehrfach erlebt. Oder soll der Zaun verhindern, dass noch mehr verunsicherte Hiker in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten, die hier vom rechten Weg abgekommen sind? Ratlos stehen wir in der Prärie und wissen nicht mehr weiter. Und dabei halten wir uns für experienced Wilderness Hiker. Schließlich sind wir schon in so vielen Wildernis-Areas rum gelaufen. In der Needles Section des Canyonlands Nationalparks, der übrigens teilweise technisch ähnliche Anforderungen stellt. Und damals auch ohne Permits nicht mehr als zehn Wanderer am Tag hatte. Und das in der absoluten Hochsaison! Mittlerweile ist der Andrang wesentlich größer. Die Zeiten ändern sich und scheinbar werden die Leute aktiver.
Überhaupt erinnert uns hier viel an Trails, die wir früher gegangen sind. Landschaftlich und auch technisch. Nur dass es da immer einen durchgehend markierten Wanderweg gab, auch wenn der teilweise durch scheinbar völlig unzugängliches Gelände führte. Aber wir wussten eben immer, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Das wissen wir jetzt plötzlich nicht mehr.
Nicht nur der Himmel hat sich verdüstert. Die Sonne ist total weg, dichte Wolken rauben diesem faszinierenden Gebiet seine Farbenpracht. Und wir wollen fotografieren!!! „It says to stay high on the ridge“, meint der Anführer, seine Frau hat offensichtlich massive Probleme mit dem schwierigen Gelände und tastet sich an den Steilen Passagen mit den Händen voran. Die zweite Frau bleibt ein wenig hinten und wartet scheinbar ab, ob sie hier wirklich richtig sind. Keine schlechte Idee. Das mache ich jetzt dann auch! Sie sind richtig. Sie wissen es nur noch nicht. Aber wir wissen es jetzt.
Also klettern wir den steilen Hang wieder rauf, den wir vorher runter geklettert sind und stoßen zu den anderen. "Hi, how are you doing?" So begrüßt man sich hier üblicherweise und erwartet normalerweise keine Auskunft über das werte Befinden. Der Situation angemessen antworte ich – normalerweise völlig unangebracht – „we are not quite sure how to continue.“ Oder irgend was in der Richtung. „We don’t either.” Die wissen es also auch nicht. Das haben wir fast vermutet.
Immer schön oben bleiben
Wir entscheiden uns, oben zu bleiben, so wie es in der Tourenbeschreibung steht. So bleibt wenigstens das Ziel in Sicht. Wir kämpfen uns weiter. Das Gelände wird nicht unbedingt einfacher. Die amerikanische Gruppe beschließt, sich für die karge Vegetation zu interessieren. Weiter unten waren noch vereinzelte Kakteen, hier ist eigentlich fast gar nichts mehr. Aber die wenigen Gräser und Pflänzchen, die sich hier in die Felsen ducken, sind plötzlich viel interessanter als die grandiosen Felsformationen wie Buttes, versteinerte Dünen und Mesas. Zumindest für unsere Mitstreiter aus den USA. Da braucht wohl jemand eine Pause und sucht einen Grund.
Fotografen tun sich da leichter: Wir fotografieren dann einfach. Heute lohnt sich das nicht, nicht bei dem Wetter. Also laufen wir weiter: Links an den Coyote Buttes vorbei. Bei Sonne wären die unbedingt einen Fotostopp wert. Und dann straight on Richtung Mesa. So ganz straight geht es dann aber nicht. Wir müssen den letzten Steilhang neben einem vereisten Bach herlaufen, der den optimalen Aufstieg blockiert. Es hat nicht nur Vorteile, wenn man im Winter reist. Aber so wird die Herausforderung größer!
Fast da!
Oben angekommen sind wir immer noch nicht angekommen, es geht noch ein Stück weiter. Wir sehen die Wave schon seit längerer Zeit. Aber halt noch nicht die klassische Ansicht, wie sie im Reiseführer zu sehen ist oder im Internet.
Geschafft!
Und dann der große Moment. Die letzten paar Meter. Da jetzt noch hoch. Dann sind wir drin in der großen Welle.
Und sehen einen zugefrorenen See, der die halbe Wave blockiert. Nein, der Winter hat wirklich nicht nur Vorteile.
Und sehen einen zugefrorenen See, der die halbe Wave blockiert. Nein, der Winter hat wirklich nicht nur Vorteile.
Wir wollten ja unbedingt Winteraufnahmen haben. Aber eigentlich nicht von der Wave. Aber hier ist nun mal Winter, die Wave ist zur Hälfte vereist. Wir fragen uns, wie das wohl bei Sonne wäre, wenn die Farben leuchten würden und die Schattierungen richtig zur Geltung kämen. Typisch Fotografen eben. So, jetzt bloß schnell alles ablichten, bevor die anderen nachkommen. Die haben wir zwar weit hinter uns gelassen, aber nun sind sie in Hörweite. Der erste steht in der Wave – mit Kamera und vermutet richtig, dass wir schon viel fotografiert haben. Die anderen kommen nach und finden es einfach beautiful. Sie fotografieren mit dem Herzen.
Bis bald!
Wir beschließen, wieder her zu kommen. Bei schönem Wetter. Schließlich haben wir noch fast zwei Wochen Zeit. Und die Wave – und der Rest der Paria Wilderness – haben bei unserer Reiseplanung ab sofort absolute Priorität. Wir hatten immer schon einen Hang zum Außergewöhnlichen. Auf unserer ersten gemeinsamen USA-Reise 1995 haben wir beinahe mehr unbekannte als bekannte Gebiete erwandert. Unsere erste Diashow ging ausschließlich über weniger bekannte Naturwunder im Südwesten der USA.
Beim Verlassen schreiben wir als Kommentar zu dieser außergewöhnlichen Wanderung in einem sogar für die USA außergewöhnlichen Gebiet: „We will come again on a sunny day“. Und das meinen wir ernst. Wir kommen tatsächlich wieder - bereits eine Woche später.