Chilkoot Trail - Reiseberichte USA

Elisabeth am Grand Canyon mit Laptop
Direkt zum Seiteninhalt
Chilkoot Trail - Abenteuer-Trip auf den Spuren der Goldsucher von 1898
Der Chilkoot Trail gehört landschaftlich und historisch zu den interessantesten Wanderungen in Alaska und Nordkanada.
Im Klondike Goldrush im Winter 1898 mussten die Goldsucher eine Tonne Ausrüstung über den Chilkoot Pass schleppen. Manfreds Rucksack wiegt ca. 25 kg (55 lbs). Dazu kommen noch 3 kg (6,6 lbs) Kamera-Ausrüstung. Ich trage deutlich weniger. Aber es reicht trotzdem. Dass wir den legendären Goldsucher-Trail im Jubiläumsjahr 1998 gehen, ist Zufall. Wir haben halt für dieses Jahr Alaska geplant.
Das brauchen Sie für den Chilkoot Trail
1. Ein Permit der kanadischen Nationalparkverwaltung.
2. Zelt, Schlafsack, Isomatten
3. Feste Schuhe und Kleidung für jede Wetterlage
4. Proviant für 3-5 Tage
5. Einen funktionsfähigen Wasserfilter
6. Mückenspray, Blasenpflaster, Franzbranntwein
7. Strapazierfähige Füße, Gelenke und Schultern
8. Ausgezeichnete Kondition, Ausdauer, Bergerfahrung, Abenteuergeist sowie Freude an Gewaltmärschen
9. Auf 40 % der 53 km (33 Meilen) langen Strecke niedrige Ansprüche an landschaftliche Reize
Tag 1 - Nicht alles am Chilkoot Trail ist spektakulär
Die erste Etappe des Chilkoot Trails verläuft zum größten Teil durch Wald. So sehr wir den Wald auch lieben - mit schwerem Gepäck macht das ewige Bergauf und Bergab ohne große Abwechslung nicht wirklich Spaß. Der verschneite Berggipfel war ganz am Anfang. Bären sind auch keine da. Dabei meinten die Ranger noch, die könnten hier hinter jedem Baum lauern. Wir haben am Chilkoot Trail nicht mal die Spur eines Bären gesehen. Am ersten Tag erreichen wir nach 7:50 Stunden Gehzeit unser ersten Camp. An unserem Tisch sitzen drei Frauen mit einem etwa 12-jährigen Jungen. Die Gruppe stammt aus Alaska, zwei der Frauen leben in den Lower 48.
Das längste Museum der Welt
Mit 53,1 km (33 Meilen) gilt der Chilkoot Trail als "längstes Museum der Welt". Überall liegt historischer Unrat herum, den die Goldsucher vor allem am Fuß der Golden Stairs weg geworfen haben. Nach 4,5 km (2,8 Meilen) bei kontinuierlicher Steigung (650 Höhenmeter) wurde bei den Scales (Waage) jedes Gramm auf die Goldwaage gelegt. Träger forderten höhere Preise für ihre Lasten, ehe sie den Aufstieg aufnahmen. Über 1.500 (4.921 ft.) waren Stufen in Schnee und Eis geschlagen worden. Sonst hätte die endlose Menschenschlange die letzten 900 Meter (2.953 ft.) bei 45 % Steigung bis zum Gipfel kaum überwinden können.
Tag 2 - Gipfelsturm
Am zweiten Tag steht die härteste Etappe bevor - der Chilkoot Pass. Beim Frühstück treffen wir die drei einheimischen Frauen und den Jungen von gestern. Wir starten gegen 6:30 Uhr bei frischen 6-8°C (42,8 - 46,4° F). Der erste Teil des Weges ist noch ziemlich flach. Dann geht es kontinuierlich bergauf, bald mit durchschnittlich 30 % Steigung. Heute macht es viel mehr Spaß als am Vortag.
Pannen gehören dazu
Um 10 Uhr haben wir dann eine kleine Panne. Manfred will in einem Bach Wasser filtern. Es gibt einen kurzen Knall und dann ist unser Wasserfilter kaputt. Ab jetzt müssen wir das Wasser also abkochen. Da könnte irgendwann das Gas knapp werden. Nächstes Mal greifen wir zur chemischen Keule und nehmen Tabletten zur Wasserentkeimung mit. Um 10:30 Uhr kommen wir bei den "Stairs" an, also am Fuße des besonders steilen Teils. Wir kochen erst einmal Tee und gönnen uns eine kleine Stärkung. Hier liegt allerhand historischer Unrat herum. Ein Ranger macht uns auf Mountain Goats aufmerksam, die ganz oben am Berg herum laufen.
Eine der größten alpinen Herausforderungen meines Lebens

Die Stairs schaffen mich total. Leider existieren die Stufen nur noch im Namen. Wir müssen den steilen Aufstieg natürlich ohne Aufstiegshilfen bewältigen. Der historische Lastenaufzug, an dem wir vorbei kommen, ist natürlich auch nicht mehr in Betrieb. Ich muss immer wieder anhalten und habe das Gefühl, dass ich da nie rauf komme. Das ist echt das Schwierigste, was wir je gemacht haben. Und wir haben bei uns in den Bergen schon so manchen Klettersteig bewältigt. Aber mit schwerem Gepäck ist das halt doch noch eine Nummer härter.

Der schwere Rucksack wird mir kurz fast zum Verhängnis. Auf einem Felsen, der nicht so stabil ist wie er aussieht, verliere ich für einen Moment das Gleichgewicht. Ich rudere hektisch mit den Armen und schaffe es irgendwie, nicht runter zu fallen. Als ich wieder halbwegs stabil stehe, wird mir klar, dass ich im Falle eines Absturzes möglicherweise eine Steinlawine ausgelöst hätte. Irgendwo hinter uns müssen theoretisch die drei Frauen vom Campingplatz mit dem Jungen nachkommen. Die hätte ich dann möglicherweise noch mit nach unten gerissen. Ich verdränge den Gedanken und setze mich erst einmal hin, um mich von dem Schrecken zu erholen. Ganz gelingt mir das nicht mehr.

Ich hatte auf einer Bergtour echt noch nie so viel Angst wie hier am Chilkoot Pass. Dabei sind wir auch schon zu Fuß auf die Zugspitze und haben auch so manchen anderen Klettersteig geschafft. Die Besteigung des Vulkans Mount Ngauruhoe in Neuseeland im April 1994 war auch nicht gerade ein Spaziergang. Aber das hier toppt für mich wirklich alles. Auch andere haben offensichtlich massive Probleme mit den 45 % Steigung. Die meisten quälen sich auf allen Vieren hoch. Das mache ich dann auch.

Der Gipfel ist erreicht
Nach ca. fünf Stunden kommt die Schutzhütte am Gipfel des Chilkoot Passes in Sicht. Die Erleichterung ist grenzenlos. Der Ranger hat in der Hütte Saft und Wasser bereit gestellt. Nach dem gebrochenen Wasserfilter ist das für uns mehr als hilfreich. Das Outhouse ist etwas luftig gelegen, bietet aber grandiose Ausblicke auf die umliegende Bergwelt. Am wichtigsten ist aber, dass wir oben sind. Wir haben den schwierigsten Teil des Trails geschafft. Und er hat uns geschafft - vor allem mich.
Auch hier gehören Pannen dazu

Auf der kanadischen Seite präsentiert sich der Chilkoot Trail von seiner landschaftlich reizvollsten Seite. Wir brechen um 13 Uhr zum Endspurt auf. Die Schneefelder sind nicht so wild. Durch das Lawinengebiet kommen wir auch heil durch.

Es geht wieder besser, bis Manfred das Tele-Objektiv aus der Tasche fällt und ausgerechnet auf dem einzigen Felsbrocken weit und breit landet. Das drückt wieder ein wenig auf die Stimmung. 90 % aller Aufnahmen entstehen zwar mit Weitwinkel. Aber wir wollen in den nächsten Wochen noch Bären beobachten und natürlich auch fotografieren. Und dafür brauchen wir das Tele!

Jetzt müssen wir aber erst einmal zum nächsten Camp - und das ist noch weit weg. Das Gelände ist auch hier teilweise relativ schwierig. Der Weg verläuft häufig über Felsbrocken, Steine, Schnee und durch Bäche. Dazwischen gibt es auch immer wieder einfache Passagen, auf denen wir die herrliche Landschaft genießen können. Die Kräfte schwinden trotzdem zunehmend und die Füße tun auch ziemlich weh. Um 15:45 Uhr kommt endlich das Camp in Sicht. Spätestens jetzt wissen wir, warum das Happy Camp heißt. Wahrscheinlich ist jeder unheimlich happy, wenn er endlich hier ankommt.

Tag 3 - Endspurt

Am nächsten Morgen tröpfelt es am Morgen ein wenig, aber zwischen den Wolken ist auch etwas blauer Himmel zu sehen. Also alles halb so wild. Die 9,8° C (49,6° F) kommen uns wärmer vor. Die erste Etappe geht am Fluss entlang. Der Weg verläuft über große unregelmäßige spitze Felsbrocken. Ich spüre die Blasen, die ich mir am Tag zuvor gelaufen habe.

Gegen 12 Uhr erreichen wir das ca. 9 km (5,6 Meilen) entfernte Camp Lindeman City. Die Rangerstation ist ziemlich weit hinten, aber wir können Wasser tanken. Und das brauchen wir dringend. Ein Ranger fragt, uns, ob wir Wildlife gesehen haben. Ich antworte "Only moskitos". Scheinbar habe ich meinen Humor noch nicht verloren.

Wir erfahren, dass uns morgen ein Pancake-Frühstück in Bennett erwartet, weil Canada Day ist. Das baut auf. Nach einer gemütlichen Brotzeit am Fluss starten wir den ultimativen Endspurt. Beim Aufstieg hinter dem Camp macht uns die drückenden Schwüle ziemlich zu schaffen. Dass wir immer noch ein wenig mit dem Wasser sparen müssen, macht es nicht unbedingt leichter.

32° C (89,6° F) im Schatten und zu wenig Wasser

Irgendwann zeigt unser Thermometer im Wald 32° C (89,6° F). Um 14:30 Uhr erreichen wir den Bare Loon Lake. Da wäre der alternative Campingplatz gewesen. Der Weg wird flacher und leichter, teilweise geht es bergab. Irgendwann glauben wir, am Ende des Lindeman Lakes zu sein. Das baut enorm auf, ist aber leider ein gewaltiger Irrtum. Das baut dann wieder enorm ab, dass das doch noch viel weiter zu gehen ist.

Am Ende wird der Weg sehr sandig und das kostet sehr viel Energie, weil man bei jedem Schritt wieder zurück rutscht. Eine Trapperhütte vermittelt schon wieder falsche Hoffnungen. Um 17 Uhr sind wir endlich da. Uns tut alles weh, ich kann kaum noch gehen. Eine Rangerstation gibt es hier nicht. Also müssen wir irgendwo Wasser suchen. Eine Frau zeigt uns eine Quelle, die am Bahngleis liegt und angeblich sauber ist. Wir riskieren es. Das Wasser ist tatsächlich in Ordnung. Der flaue Magen kommt ausschließlich von der Erschöpfung.

Geschafft
Wir haben die härteste Tour unseres Lebens geschafft. Nach insgesamt etwa 24 Stunden Gehzeit sind wir endlich am Ziel. Von den Hikern, die mit uns los gegangen sind, sind wir die einzigen, die nach nur drei Tagen am Ziel sind. Alle anderen lassen sich mehr Zeit und gehen den Trail in 4-5 Tagen. Wir sind jedenfalls froh, dass wir diesen Gewaltmarsch hinter uns haben.
Rückkehr in die Zivilisation
Am nächsten Tag servieren drei Frauen aus Bennett gegen freiwillige Spenden Sauerteig-Pfannkuchen nach historischem Rezept -  zur Feier des Canady Days am 1. Juli und als Belohnung für die Strapazen. Anschließend bringt der Holländer Fritz uns und vier Hiker aus Fairbanks über den 50 km (31 Meilen) langen Lake Bennett zurück in die Zivilisation. Fritz war früher Tierpfleger für Bären und afrikanische Raubtiere und hat im Yukon Territory eine neue Heimat gefunden. Bezeichnenderweise heißt sein Boot "Renn a way". Übrigens empfiehlt sich das nicht bei unserem nächsten Alaska-Abenteuer...
Noch einmal Glück gehabt
Übrigens haben wir bei unserer Wanderung unheimlich Glück. Einen Tag, nachdem wir den Chilkoot Trail geschafft haben, bricht ein Feuer aus, das auch die Gegend um Dyea erfasst. 20 Hiker, die am 1. Juli1998 in ihr großes Abenteuer gestartet sind, müssen mit Hubschraubern evakuiert werden. Der Zugang zum Trail wird für mehrere Tage gesperrt. Zahlreiche Wanderer müssen auf den legendären Goldsucher-Trail verzichten. Pro Tag dürfen nur 50 Personen den Pass überqueren. Im Jubiläumsjahr 1998 ist der Trail bis 20. August restlos ausgebucht.
Zurück zum Seiteninhalt